Kurt Ahrens 19. April, 1940 - Braunschweig
Kurt Ahrens, ein Weltklasse-Pilot
Hier dazu die Ausführungen von Eckhard Schimpf:
Kurt Ahrens gehört zwar nicht in die Riege der Jägermeister-Piloten, aber meine eigenen Motorsport-Jahrzehnte sind eng mit seiner Karriere verwoben. Und - fast wäre er doch für Jägermeister gestartet; denn als wir Anfang 1972 das Jägermeister-Team gründeten, da galt mein erster Anruf Kurt Ahrens. Er hatte kurz zuvor sein letztes Rennen gefahren - in Brünn. "Willst du nicht mitmachen?", habe ich gefragt.
Aber der Entschluss von Kurt Ahrens war endgültig. Nein, er wollte nicht mehr, obwohl er noch nicht einmal 32 Jahre alt war. Seine Karriere hatte er offiziell schon im November 1970 in Kyalami (Südafrika) beendet, als er mit einem Porsche 917 - sich mit Jo Siffert ablösend - noch einmal Zweiter geworden war. Das Rennen in Brünn 1971 auf Ford Capri hatte er nur deshalb gefahren, um die Familie seiner Frau Reni treffen zu können, die in Dresden lebte.
13 Rennjahre hatte Ahrens hinter sich. Todesstürze gab es in jener Zeit alljährlich Dutzende. Und Ahrens, der Braunschweiger, wollte überleben. "Ja, es war mir einfach zu gefährlich geworden." Ein komplettes Rennfahrer-Feld der Ahrens-Zeit ist tödlich verunglückt: Jochen Rindt, Jim Clark, Gerhard Mitter, Lorenzo Bandini, Jo Schlesser, Joakim Bonnier, Lodovico Scarfiotti, Piers Courage, Pedro Rodriguez, Rolf Stommelen und viele andere.
Die Gruppe der Weltklasse-Piloten war zu allen Zeiten klein. Kurt Ahrens gehörte zwischen 1967 und 1970 dazu. Er, der reine Amateur, konnte in der Formel 2, in der damals auch regelmäßig alle Asse der Formel 1 fuhren, vorzüglich mithalten. Jack Brabham bot ihm 1968 einen Formel 1-Cooper für den Großen Preis von Deutschland an. Ahrens sagte zu, erklärte aber gleichzeitig, dass die Formel 1 kein Dauerthema für ihn sein würde. Ein ungewöhnliches Statement für einen 28-jährigen Spitzenfahrer. Es blieb bei diesem einmaligen Start.
Kurt wollte nicht ständig in der Welt herumreisen, zumal sein Vater - obwohl einst selbst erfolgreicher Rennfahrer - gegen die Formel 1 war. Rennen fahren am Sonntag - das war okay. Aber am Montag sollte der Junior gefälligst wieder im väterlichen Schrott-Geschäft sein.
Kurt Ahrens hatte auch abseits der Formel 1 tolle Erfolge: 100 Siege, dreimal Deutscher Rennwagenmeister (1961, 1963 und 1965), Europapokalsieger (1967), Werksfahrer bei BMW, bei Abarth und - zwei Jahre lang - bei Porsche (1969/1970). Hier bewies er gegen Super-Profis sein beachtliches Format. 1969 gewann er zusammen mit Jo Siffert den Großen Preis von Österreich - das war der erste Sieg überhaupt für den legendären Porsche 917. 1970 erkämpfte sich "Kurtchen" gemeinsam mit Vic Elford z. B. auch den Gesamtsieg im 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring.
Wir Braunschweiger - Kurt und ich - kennen uns seit 1957. Es gab kaum ein Ahrens-Rennen, das wir beide nicht am Montag nochmals ausführlichst "durchgekaut" hätten. Sein allererstes Rennen im April 1958 habe ich noch genau in Erinnerung. Freitags hatte er seinen Führerschein gemacht, am Sonntag danach fuhr er im Formel 3-Cooper auf dem Kieler Nordmark-Kurs sein erstes Rennen und wurde Zweiter hinter seinem Vater. Bei seinem zweiten Start, dem Leipziger Stadtparkrennen zwei oder drei Wochen später, war es schon umgekehrt: Der Sohn siegte vor dem Vater.
In Kurts Privatfahrerzeit - also zwischen 1958 und 1968 - spazierte ich abends regelmäßig in die Ahrenssche Werkstatt in der Broitzemerstraße. Dort schraubten Franz Hetzel und später Hansi Gesk eigentlich ständig an irgendwelchen Rennwagen. Was stand da nicht alles in den Garagen herum. Diverse Formel 3-Cooper, Mercedes 300 SL, Porsche Spyder, Alfa Romeo Veloce Zagato, Stanguellini, Lotus, Brabham-Formel 2 und so weiter.
Es war für mich ein wunderbarer Plauder-Club. Teilweise mit illustren Gästen. Da tauchte mal Ronnie Peterson auf oder Wolfgang Seidel. Durch Ahrens lernte ich auch Jochen Rindt kennen. Ich sehe ihn noch bei uns zu Hause auf dem Sofa sitzen und fünf Äpfel essen.
Unser Kumpelkreis um Kurt Ahrens herum gründete Racing-Teams (z. B. Caltex-Team); wir hatten auf dem Ahrens-Grundstück sogar eine eigene Werkstatt. Zum Braunschweiger Renn-Rudel jener Zeit gehörten etwa Ernst Maring, Peter Schrick (der Nockenwellen-Papst), Alfred Beier, Dieter Bohnhorst, Manfred Berthold, Peter Matthieß und natürlich Kurt Kuhnke, der ehemalige DKW-Motorradrennfahrer, der Anfang der 1960er Jahre sogar ein Formel 1-Projekt startete.
Fortsetzung nächsten Samstag
Quelle: Braunschweiger Zeitung, 18. April 2009, Auto und Verkehr, Seite M02
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