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Zum Ende der Seite springen Autofarben: Weissager und Schwarzfahrer
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Manfred Placzek
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Dabei seit: 17.02.2006
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Lampe Autofarben: Weissager und Schwarzfahrer Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Eigentlich soll der Lack nur die Karosserie schützen. Doch bei Autos ist Farbe die wichtigste Nebensache der Welt. dominiert (wieder), Weiß ist der schicke Aufsteiger und Braun die Farbe der Krisenbewältigung.

Die Farbe sagt alles – und nichts. Eine 0,1mm dünne Schicht Lack auf Stahlblech reicht schon, um uns den Psychologen in die Hände zu spielen. Die erzählen uns, ob wir autoritär und unsicher sind (Schwarz), zuverlässig und vorausschauend (Blau), pflichtbewusst und sensibel (Weiß) oder vielleicht zu Depressionen neigen (Mattgelb und Creme).

Mehrheitlich sind wir demzufolge von der autoritären Sorte: In Europa hat die Farbe Schwarz, von der man der Meinung sein kann, dass es sich eigentlich um die Abwesenheit von Farbe handelt, im Vorjahr Silber vom Thron gestoßen. Grau in allerlei Schattierungen, zuweilen zu „Titansilbermetallic“ oder „Platinbronze“ geadelt, beherrschte also die längste Zeit das Straßenbild. Rot dagegen wird bald ganz der Feuerwehr gehören: Die vor 20 Jahren beliebteste Autofarbe kommt heute auf weniger als sieben Prozent bei Neuwagenkäufen (dass rote Autos, die gern als aggressiv gelten, häufiger als andere in Unfälle verwickelt wären, konnte übrigens nie nachgewiesen werden). Noch seltener sieht man nur noch Grün, Braun und Gelb.

So verblassen die Autofarben unserer Kindheit – das fröhliche Froschgrün, das kreischende Orange, das unmögliche Kackbraun, das lachende Gelb, das furiose Rot. Waren nicht unsere Wohnungen und Häuser ebenso eingerichtet? Und die Pullover damals?

Erneut erklären uns Psychologen die Welt. „Die Farben der 70er- und 80er-Jahre standen für eine optimistische Gesellschaft, die nach vorne gedacht hat. Heute sind es diese Nichtfarben, die wir haben. Grau, Schwarz und Silber wirken vergleichsweise pessimistisch, zumindest vorsichtig.“

Die schlechten Nachrichten auf den Wirtschaftsseiten mussten ja zu etwas wie der aktuellen Rangordnung der beliebtesten Autofarben führen: Schwarz (26Prozent), Silber (20), Grau ( 18 ), Blau (13), Weiß (10), gefolgt von Rot und Braun.


Die Wahl der Automenschen. Mit Schwarz schließt sich immerhin ein Kreis. Denn die ersten, jedenfalls für den Massenmarkt hergestellten Autos sahen ganz grundsätzlich aus wie frisch geteert. Wer Lust auf Lebensbejahendes hatte, musste sich von Henry Ford, Vater des Model T und Erfinder des Fließbands, ausrichten lassen: „Meine Kunden können jede Farbe haben – solange es Schwarz ist.“

Sozialistisch motiviert war der Einheitsanstrich erwartungsgemäß nicht. Die zähen Harzlacke, die mit groben Pinseln händisch aufgetragen wurden, mussten schnell trocknen – Mr. Ford hatte immerhin einen halben Kontinent zu mobilisieren. Und nichts trocknet in der Sonne schneller als Schwarz.

Die pragmatische Vorliebe teilte Ford mit Automenschen des alten Europa – Ferdinand Porsche etwa. Die ersten Käfer waren alle schwarz. Ebenso der Roadster 356, der später die Sportwagenschmiede begründet hat: schwarz wie die Landstraße nach einem Elektrikausfall. Der Wiener Volkswagen-Patriarch und Porsche-Enkel Ferdinand Piëch erläutert: „Schwarz war Großvaters Lieblingsfarbe. In den alten Tagen gab es einen handfesten Grund, warum ein Automensch Schwarz bevorzugte: Es war leicht auszubessern, und es war die am wenigsten ausbleichende Farbe. Schwarz konnte höchstens stumpf werden, aber jedes Mal, wenn man drüberpolierte, sah das Auto wieder wie neu aus.“

Heute ist die Farbwahl über technische Makel wie frühzeitiges Verwittern, erhaben. Das Lackieren ist ein robotisierter, vielstufiger Hightechprozess, bei dem die Lieferanten gern ein Wörtchen mitreden. Bevor Branchenführer wie Dupont (USA) und die deutsche BASF ihre Abermillionen Liter Farbe anrühren, wollen sie wissen, was in den kommenden Jahren getragen wird.

Das lässt sich beeinflussen. In Zusammenarbeit mit den Autoherstellern werden gezielt Farben lanciert, um Trends auf dem Markt zu zünden. So wurde Weiß, das in der Vergangenheit ausschließlich Lieferwagen und Kühlschränken gehört hat, als neue Infarbe ausgerufen.

Auf Autoshows von Detroit bis Frankfurt erstrahlten die prächtigsten Exoten in unschuldigem Weiß, bis die Farbe in Europa – von unter zwei Prozent Marktanteil im Jahr 2004 – im Vorjahr in die Top Five rutschte. Eine eingeschleppte Spezies: Weiß ist in den USA und Japan schon seit Langem die dominierende Autofarbe.


Pastell- und Mattlacke im Vormarsch. Doch Obacht: Weiß wirkt ausladend und steht nur schnittigen, besonders wohlproportionierten Modellen – diesen dafür besonders gut. Wer eher massig daherkommt, tarnt sich besser in Schwarz. Oder Braun in allen Geschmacksrichtungen, auf das uns die Industrie gerade vorbereitet. Auf dem Autosalon Frankfurt, dem weltweit bedeutendsten Branchenereignis (17. bis 27.September), wird viel Blech in warmen Pastellfarben glänzen, oder auch nicht, denn die Hersteller halten auch neuartige Mattlacke für uns bereit.

Nach der Angststarre und dem Ducken unter der Wirtschaftskrise sollen unsere Autos demnächst schon die Verarbeitung des Traumas widerspiegeln: Warme Farbtöne deutet der Psychologe als Hinwendung zu Tradition und Werten, zu Familie und Freunden. Silber, die jetzige Nummer zwei, wird mit seiner Technologiekälte dann eine ganz schlechte Bank sein.

Quelle: "Die Presse" vom 30.08.2009

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Viele Grüße,

Manfred
30.08.2009 22:59 Manfred Placzek ist offline E-Mail an Manfred Placzek senden Homepage von Manfred Placzek Beiträge von Manfred Placzek suchen Nehme Manfred Placzek in deine Freundesliste auf
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